Innovative Salzkerne für komplexe Geometrien

Erstveröffentlicht in GIESSEREI 109 (2022), Nr. 8, S. 44-46

Konventionell werden Kerne aus organischen oder anorganischen Sand-Binder-Systemen hergestellt. Organische Bindersysteme zersetzen sich während des Gießprozesses und stoßen dabei schädliche Gase aus, die zu Umwelt- und Arbeitsplatzbelastungen führen. Anorganische Bindersysteme hingegen setzen nur Wasserdampf frei, sodass diese den Forderungen einer ökologischen Prozessführung gerecht werden. Jedoch lassen sich filigrane, anorganisch gebundene Sandkerne im Anschluss an den Gießprozess nur aufwendig und nicht immer rückstandsfrei herauslösen [1]. Dies setzt der Gestaltung und Geometrie innenliegender Konturen der Gussteile Grenzen.

Technologien zur Salzkernherstellung

Der Einsatz von Sandkernen wird den zunehmend wachsenden Anforderungen an funktionelle Bauteile, wie etwa innenliegende Kühlkanäle, nicht mehr gerecht. Darüber hinaus bedarf es eines eigenen Qualitätssicherungsverfahrens zur Gewährleistung eines rückstandsfreien Gussteils. Eine Alternative ist die Herstellung von Kernen aus Salzen. Die Vorteile aller bisher praxisreifen Verfahren liegen, neben dem für viele Gussanwendungen ausreichenden Schmelzpunkt, insbesondere im prozesssicheren Entfernen der Kerne mit Wasser. Salzkerne finden zunehmend Verwendung in der Industrie. Typischerweise handelt es sich dabei um gegossene oder gepresste Salzkerne, die beim Druckgießen eingesetzt werden.

Das Gießen von Salzkernen ist insbesondere aufgrund der thermischen Eigenschaften von Salzen aufwendig, da es beim Übergang vom schmelzflüssigen in den festen Zustand und beim Abkühlen bei ungeeigneter Prozessführung oder filigranen Geometrien vermehrt zu Rissen und Lunkern kommen kann [2]. Beim Pressen von Salzkernen ist hingegen werkzeugbedingt die Geometriefreiheit eingeschränkt [3]. Grundsätzlich sind beide bekannten Technologien im Sand- und Kokillenguss einsetzbar, jedoch ist der Aufwand beim Entkernen dieser Strukturen aufgrund der hohen Materialdichte enorm.

Neues Verfahrenskonzept

Das Fraunhofer IGCV entwickelte zusammen mit dem Kasseler Düngemittel- und Salzhersteller K+S Aktiengesellschaft ein innovatives Verfahrenskonzept zum Kernschießen binderfreier Salzkerne. Durch eine verfahrensbedingt höhere Porosität kann nun selbst bei komplexer Geometrie ein rasches Auslösen erfolgen. Dies bietet einen klaren Vorteil gegenüber den bisher angewendeten Technologien. In der Kooperation der beiden Technologiepartner wurde nicht nur die Kernherstellung betrachtet, sondern vielmehr die gesamte Prozesskette (Bild 1). Ein eigens optimiertes Salzgemisch wird beim Kernschießen in Form gebracht. Um eine überzeugende Festigkeit der Kerne zu gewähren, wurden die Parameter Feuchtigkeit, Temperatur und Trocknungszeit im Schießprozess entsprechend der Kerngeometrie optimiert. Bei der Verwendung im Aluminium-Schwerkraftgießen wird der fertige Salzkern in die Form eingelegt und mit der Legierung umgossen.

Bild 1: Innovatives Verfahrenskonzept zur Produktion von Salzkernen

Bedingt durch die binderfreie Herstellung und den hohen Schmelzpunkt der verwendeten Salze von über 750 °C ist keine Heißverformung zu befürchten. Der vom Gussteil umschlossene Salzkern wird nach der Entformung des Gussteils mit Wasser rückstandsfrei ausgespült. Die anfallende wertstoffhaltige Salzlösung wird zentral gesammelt und kann, so das erarbeitete Konzept, zur Aufbereitung als Prozesswasser in die Salzproduktion der K+S AG zurückgeführt werden.

Bild 2: Prozesskette von links nach rechts: Kernschießen – der fertige, eingelegte Salzkern – Gießen – Erstarren – Entkernen durch Auslösen mit Wasser (Fotos: Fraunhofer IGCV)

Demonstration der Prozesskette

Das Fraunhofer IGCV und die K+S AG haben in Zusammenarbeit eine Prozesskette entwickelt, die vom anwenderfreundlichen Salzgemisch bis zur Abnahme und Aufbereitung der Spüllösung nach dem Entkernen ein nachhaltiges und umweltfreundliches Verfahren bietet. Zur Demonstration der Technologie wurde anhand eines Kreiselpumpengehäuses die Machbarkeit gezeigt (Bild 2). Der Demonstrator wurde in einer 3-D-gedruckten Sandform umgesetzt. Der Abguss erfolgte mit der Aluminiumlegierung AlSi10Mg bei einer Gießtemperatur von 720 °C. Ist die umgebende Sandform entfernt, kann der Salzkern unkompliziert mit Wasser ausgewaschen werden. Für den direkten Vergleich mit konventionellen wasserglasgebundenen
Sandkernen wurde dasselbe Bauteil parallel hergestellt. Der konventionell hergestellte Demonstrator wurde anschließend mechanisch entkernt. Bild 3 zeigt die Überlagerung einer Modellierung des Entkernfortschritts mit experimentellen Ergebnissen für anorganisch gebundene Sandkerne und visualisiert damit die schwer zu entkernenden Bauteilbereiche. Bezüglich der Oberflächenbeschaffenheit wird in Bild 4 die hohe Abbildungsgenauigkeit deutlich. Bei Verwendung von geschossenen Salzkernen konnten feine Konturen detailgenau abgebildet werden, sodass eine Realisierung funktionaler Flächen über Salzkerne in Aussicht gestellt werden kann.

Fazit

Sowohl die emissionsfreie Herstellung des Salzkerns und der prozesssichere Entkernungsschritt nach Abschluss des Gießens, als auch die Recyclierbarkeit der Salzlösung ergeben entscheidende Vorzüge für die Implementierung dieses innovativen Verfahrenskonzeptes in die Praxis. Der zukünftige Einsatz der Technologie mit der in Gießereibetrieben üblichen Infrastruktur kann damit in Aussicht gestellt werden. Demnächst beginnt
ein Folgeprojekt, um das Konzept auf den industriellen Maßstab zu übertragen. Ein konventioneller Sandkern in einem Serienprozess soll dabei komplett durch einen Salzkern substituiert werden.

Autoren: Patricia Erhard, Daniel Günther, Garching und Sören Seebold, Gerlinde Minkel, Kassel

Weitere Informationen:

Fraunhofer IGCV
Patricia Erhard, M.Sc.

Literatur

[1] Ettemeyer, F.: Charakterisierung des Entkernverhaltens anorganisch gebundener Sand-Binder-Systeme, Dissertation,
Technische Universität München, 2021.
[2] Giesserei Special 103 (2016); [Nr. 1], S.32-43.
[3] Archives of Foundry Engineering 15 (2015); [Nr. 2], S. 29-34.

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